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Meine Essstörung - Oder: Über einen Gott, der niemals aufhört, um uns zu kämpfen

Was haben diese Bilder gemeinsam? Auf den ersten Blick zugegebenermaßen nicht so viel, sie sind an völlig anderen Orten, in unterschiedlichen Situationen, zu vollkommen verschiedenen Anlässen aufgenommen worden. Und dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit: Ich würde behaupten, dass man es mir auf (noch) keinem der drei Fotos ansieht, doch während jedes einzelne davon geschossen wurde, steckte ich in der größten Krise meines bisherigen Lebens. 

 

Dieser Artikel wird teilweise schockierend offen sein, sehr persönlich und vor allem ungeschönt ehrlich. Es gibt Passagen, bei denen ich lange überlegt habe, ob ich sie wirklich einfügen soll, letzten Endes bin ich jedoch zu dem Schluss gekommen, dass jeder kleinste Aspekt meiner Geschichte eventuell genau die Warnung  oder auch Ermutigung sein könnte, die - so Gott will - gerade zur rechten Zeit kommt. 

 

Okay… *Tief Durchatmen*.

Jetzt geht es also los.

Zum ersten Mal werde ich hier auf diesem Blog etwas über Essstörungen schreiben, - und zwar, etwas genauer gesagt: Über meine Essstörung, an der ich erkrankte, als ich etwa 15 Jahre alt war. Oder 16? Ich weiß es nicht mehr genau, irgendetwas dazwischen, jedenfalls.

 

Die meisten, die diesen Blog lesen, kennen mich und damit vermutlich auch diesen speziellen Teil meiner Geschichte. In Unterhaltungen habe ich mittlerweile überhaupt kein Problem mehr damit, zu erwähnen, dass ich damit einmal Probleme hatte, im Gegenteil: Oft ermöglicht es sogar Gespräche auf einer viel tieferen Ebene oder gibt mir die Chance, Leuten mit ähnlichen Schwierigkeiten zu erzählen, wie ich aus der ganzen Angelegenheit herausgekommen bin. Wie Gott es war, der mir herausgeholfen hat.

 

Aber darüber zu schreiben, bedeutet eben auch, sich ganz bewusst hinzusetzen und noch einmal zu reflektieren. Sich Zeit zu nehmen, zu rekapitulieren, über spezielle Gründe nachzudenken und diese Gedanken zu Papier zu bringen. Einen Fuß zurück in den dunklen Tunnel zu setzen, in dem ich damals kein Licht mehr sah. Es ist ein gewisser zeitlicher und emotionaler Abstand notwendig und vor allem die Fähigkeit, sich selbst zu verzeihen.

Damit hatte ich wohl sehr viel länger Probleme als mit dem Essen selbst: Dieses Wissen zu verarbeiten, wie sehr ich mir selbst geschadet hatte, wie oft sich meine Gedanken um mich anstatt um andere gedreht hatten, wie viel Energie ich mir geraubt hatte, einfach aus meinem übersteigerten Anspruch an mich selbst heraus… Nun ja, das war nicht einfach.

 

Aber im Nachhinein bin ich dankbar dafür, dass ich diese Zeit durchleben musste. Versteht mich nicht falsch: Ich glaube nicht, dass Gott diese Krankheit verursacht hat, im Gegenteil. Es waren die Lügen dieser Welt, die mich verführten, - die Schönheitsideale auf Instagram und im Fernsehen, denen ich in meiner Selbstfindungsphase zu viel Gehör schenkte. Die unüberlegten Witze von Bekannten, die sich hartnäckig in meinem Kopf festsetzten. Und natürlich das Böse in mir selbst, das mir zuflüsterte, dass ich ganz dringend die Kontrolle behalten musste, während mir so vieles andere entglitt. Dass ich noch besser, noch schöner, noch selbstdisziplinierter sein musste, wenn ich anderen, - vor allem aber mir selbst genügen wollte.  

Es hatte Momente gegeben, in denen ich hätte umkehren können. Doch ich tat es nicht, fühlte sich dieses „Widerstehen können“ doch einfach zu gut an. Wäre jedes „Lockerlassen“ ein Versagen gewesen. War mein Stolz schlichtweg zu hoch.

Anstatt mich allerdings aufzugeben, während ich mich immer weiter von seinem guten Plan für mich entfernte, lies Gott mich nicht im Stich, er war mit mir in diesem Chaos aus Frust und Schmerz. Er hörte zu, wenn ich weinte. Er streckte mir seine Hand entgegen, als ich um Hilfe schrie. Und er versetzte mich letzten Endes auch dazu in die Lage, sie zu ergreifen, - denn auch das ist ein unfassbar schwerer Schritt, - so leicht er sich auch anhören mag.

Was ich also eigentlich sagen will, ist Folgendes: In meinem Leben war mir bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich immer alles gelungen. Wie leicht war es da, Gott aus den Augen zu verlieren, der mir ja eigentlich all das, was ich so gut konnte, erst geschenkt hatte… Wie nahe lag es, sich völlig auf sich selbst und die eigene Stärke zu verlassen? Doch letzten Endes sind wir Menschen eben aus eigener Kraft niemals perfekt. Wir können uns kaputtarbeiten, wie wir wollen, irgendwann werden wir hinfallen und straucheln. Und genau diesen Sturz brauchte es, um mich auf den Boden der Tatsachen zurückzubefördern. Um mich in genau die Situation zu bringen, in der ich wieder Hilfe annehmen konnte. In der ich erkannte, dass ich es allein eben nicht schaffen, sondern an meinem eigenen Leistungsdruck zerbrechen würde. Aber in der ich eben gleichzeitig auch erfahren durfte, dass ich das gar nicht musste… Weil Gott schon alles für mich gegeben hatte, was es zu geben gab.

In meiner größten Schwäche wurde mir eine Kraft geschenkt, die nicht von mir kam.

In meiner tiefsten Trauer erhielt ich Freude, die alle Freude übertraf, die ich je gekannt hatte.

In der tiefsten Nacht ging zwar nicht sofort die Sonne auf, - doch ich erlebte, dass in der Dunkelheit jemand meine Hand nahm und mir voranging.

Das hört sich jetzt alles so leicht an, aber das war es nicht. Meine Heilung war ein Prozess, - und ist es teilweise vielleicht immer noch. Jeder Schritt, den ich weggelaufen war, war auch ein Schritt, den ich wieder zurückgehen musste. Aber jemand stützte mich dabei. Und vor allem im Rückblick erkenne ich heute, dass ich unfassbar oft genau in den Momenten vor Schlimmerem bewahrt wurde, als ein weiterer Schritt in die falsche Richtung vielleicht der entscheidende Schritt zu viel gewesen wäre.

Gott ist gütig.

 

Doch jetzt habe ich viel über das ,Danach‘ erzählt, ohne so richtig konkret zu werden.

Ihr interessiert euch bestimmt dafür, wie es dazu kam und wie genau ich aus der Essstörung herauskam. Hier werde ich euch nun also meine Geschichte erzählen. Nein, nicht meine Geschichte, sondern, - besser gesagt, - nur einen Teil davon. Einen Teil, den ich überlebt habe und der mich letzten Endes nicht nur geprägt, sondern vor allem stärker gemacht hat. Und wenn dieser Artikel nur einem einzigen Leser die Augen öffnet oder ihn eventuell dazu anregt, mit jemandem zu reden und sich Hilfe zu holen, dann hat es sich schon gelohnt.

 

 

Die folgenden Abschnitte sind Ausschnitte meines Tagebuches, die ich gefunden habe… Teilweise aus der Zeit davor, teilweise mittendrin. Ich habe mich selbst erschrocken, als ich sie vor kurzem seit Langem das erste Mal selbst wieder gelesen habe, doch sie demonstrieren sehr gut, wie klein so etwas anfangen, - und wohin es letztendlich führen kann. 

Italienurlaub 2015:

„Am Garda-See ist es wirklich toll. Wir gehen wandern, schwimmen und Fahrradfahren, die meiste Zeit sitzen wir aber vor allem faul in der Gegen herum. Unterbrochen wird diese Zeit dann lediglich davon, dass wir gemeinsam Essen gehen. Ich bin echt froh, dass ich keine Ess-Störung oder so etwas habe, denn Mama und Papa schleppen uns teilweise zweimal am Tag in irgendein Restaurant!“

 

Weihnachten 2015:

Und dann war da noch die Jugend-Weihnachtsfeier am selben Samstagabend gewesen.

Wir hatten Schrottwichteln und andere Gruppenspiele gespielt, vorher wieder „Mary did you know“ für Heiligabend geprobt (diese Proben zerrten echt an meinen Nerven; ständig mussten alle diskutieren -.-)  – und natürlich massenhaft Süßes in uns hineingestopft.

Wochen vorher hatte ich im Rahmen der Fastenzeit praktisch Diät gemacht und auf das meiste Süße verzichtet... doch plötzlich konnte ich mich einfach nicht mehr zusammenreißen. Ich aß, bis mir schlecht war.

Und ich mir einfach nur noch den Finger in den Hals stecken wollte.

Moment.

 

Kaum, dass ich den Gedanken hatte, bekam ich es mit der Angst zu tun. Klar, wie soll man auch sonst als Mädchen reagieren, wenn man Fitness-fanatiker in der Klasse hat, natürlich fühlt man sich figurtechnisch nach einiger Zeit wie der letzte Abschaum...

Doch das? Das kam selbst für mich unerwartet. Und es jagte mir einen riesigen Schreck ein.

War es mit meinem Selbstbewusstsein so sehr bergab gegangen? Wieso hatte ich das nicht gemerkt?

Und wieso war es überhaupt passiert? Ein Teil von mir wusste ja, dass das Quatsch war – und war deshalb nur noch frustrierter, weil ich mir selbst wieder solchen unnötigen Stress machte. Und mein Freund liebte mich ja, so wie ich war.

Und trotzdem... schien ich tief in mir drin zutiefst unzufrieden mit mir selbst zu sein.

 

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Ich bin stolz darauf, wenig zu essen und abzunehmen.

Ich wiege nur noch etwas unter 47 Kilogramm und bin stolz auf jedes Gramm weniger. Ich weiß, dass mein Essverhalten noch nicht im kritischen Bereich ist, doch meine Gedanken dazu sind es. Ein Teil von mir will sogar tiefer da hineinrutschen, so krank es sich auch anhört. Ich gefalle mir so, wie ich von der Figur momentan bin und eine Stimme in mir flüstert ständig, dass es noch ein paar Gramm weniger sein könnten. Es würde sich komisch anfühlen, jetzt wieder mehr als immer nur eine halbe Portion zu essen, ich weiß genau, dass ich ein schlechtes Gewissen hätte.

Es fühlte sich komisch an, normal zu essen, was einfach nicht gesund sein kann.

Und das bereitet mir Sorgen.

Ich spüre, dass ich momentan noch die Chance habe, diese Gedanken wieder völlig loszuwerden, doch ein Teil von mir will das gar nicht. Es kostet sogar Überwindung, um Hilfe zu beten.

Und irgendwie will ich auch nichts überdramatisieren. Andererseits: Lieber auf Nummer sicher gehen.

Meine Idee war es, einem Freund der Familie und meinem festen Freund Bescheid zu sagen, dass sie mich jeden Tag fragen sollen, wie viel ich gegessen habe, damit jemand anders als ich ein Auge darauf hat.

Ideal wäre es für mich natürlich, normal zu essen und mehr Sport zu machen, darüber könnte ich mit meinen Eltern reden. Ich muss einfach wieder lernen, auf meinen Körper zu hören – denn das unterdrücke ich in letzter Zeit manchmal.

Was nützt es mir, ultra dünn zu sein, wenn ich schwächer werde und nicht mehr gesund bin?

Die Menschen, die mir wichtig sind, lieben mich auch so, da muss ich das auch wieder lernen.

Und dann werde ich lieber mit Sport fitter und trainierter, als ohne und mit Verzicht auf viel Essen.

 

Also ist mein Masterplan jetzt folgender:

1.   Freunden Bescheid sagen

2.   Mit meinen Eltern über Sport reden

3.   Dienstag Joggen, Donnerstag Schwimmen, WE evtl Wandern, Radfahren → Anfang, zwischendurch vielleicht Übungen

4.   Diese Liste mit den Regeln für zuckerarme Ernährung abnehmen. Jetzt sofort.

 

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Zwischen diesem Eintrag und dem nächsten verging viel Zeit. Fragt mich nicht, inwieweit ich diesen Masterplan in die Tat umgesetzt habe, ich weiß es nicht.

Ich weiß nur noch, dass es während meines Schülerpraktikums in der zehnten Klasse war, als das alles herauskam, - und auch mir klar wurde, dass ich ein Problem hatte. Zuvor hatte ich zwar bereits gemerkt, dass mein Denken in eine falsche Richtung ging, war in meinem Inneren irgendwie jedoch immer noch davon überzeugt, dass das in gewisser Art und Weise normal für mein Alter war und sich schon von selbst wieder geben würde. Auf Instagram wurde ich täglich mit zwei konträren Schönheitsidealen konfrontiert: Entweder besaßen Frauen formvollendete Kurven oder sie besaßen kein überschüssiges Gramm Fett mehr am Körper, waren schlank, muskulös und durchtrainiert. Tja, - und wenn ich schon keine Kurven hatte, dann wollte ich wenigstens sportlich schlank sein. Zu meiner großen Frustration besaß ich jedoch ein leichtes Hohlkreuz und darüber hinaus noch einen genetisch bedingt leicht vorgelagerten Magen, sodass ich einfach nie so einen flachen Bauch hatte wie andere Mädchen in meinem Alter, - so sehr ich mich auch anstrengte. Während ich mich von einer Weisheitszahn-Operation erholte und dementsprechend noch nicht viel essen konnte, registrierte ich erstmals, dass mir mein Bauch mit nüchternem Magen viel besser gefiel und zog daraus den völlig unlogischen aber mir damals sehr plausibel erscheinenden Schluss, dass die Lösung all meiner "Probleme" nur darin bestehen konnte, einfach weniger zu essen. „Du bist doch sowieso so zierlich, du brauchst doch gar nicht so viel Essen.“ – und: „Wenn du heute Morgen etwas weniger isst, kannst du dafür mittags so richtig reinhauen.“ waren in dieser Zeit gängige Gedanken, die mir noch nicht verdächtig vorkamen. Ich zählte keine Kalorien oder so, - an diesen Punkt gelangte ich Gott sei Dank nie, - doch meine Verhaltensmuster gingen bereits in eine Richtung, die dafür sorgten, dass ich, - wenn ich die Wahl hatte, - lieber zu einem Apfel als zu einer Banane griff oder mir morgens gleich weniger Essen einpackte, um gar nicht erst ,in Versuchung´ zu kommen. Schlaflosigkeit, schmerzende - weil durch die hervorstehenden Knochen nachts wundgescheuerte - Knie und Schultern, ein knurrender Magen und ab und an plötzlich einsetzender Schwindel wurden zu meinen ständigen Begleitern. 

 

Ich pendelte während des Praktikums viel mit dem Zug hin und her. Der 50. Geburtstag meiner Mutter war auch so ein Tag, an dem ich viel herumgesessen hatte und dementsprechend von einem schlechten Gewissen belastet wurde. Unruhig tigerte ich in unserer Wohnung in der Gegend herum, googelte die Öffnungszeiten des Schwimmbads und überlegte ernsthaft, noch einmal loszufahren, um ein wenig Energie zu verbrauchen.

Erst, als meine Eltern mich völlig verständnislos ansehen, fiel es mir selbst wie Schuppen von den Augen: Was tat ich hier gerade? Meine Mutter feierte ihren Geburtstag, ihren fünfzigsten und ich hatte nichts Besseres zu tun, als Schwimmen zu gehen?

Als dann auch noch mein Bruder mich ansah und zu weinen begann, schien die Erkenntnis, dass ich möglicherweise wirklich ein Problem hatte, in meinen Verstand durchzudringen. „Dein Gesicht ist so kantig geworden.“, schniefte er. „Ich mach mir Sorgen um dich.“

 

Ich sah in seine Augen, in denen sich echte, tiefe Angst widerspiegelte und fand darin die Emotionen wieder, die auch ich selbst schon lange gefühlt und bisher verdrängt hatte.

Es war ein Moment des Erwachsens: Ein schmerzhafter, zwar, doch ein notwendiger. Zum ersten Mal redete ich mit meiner Familie offen über das Thema, bat sie, ein Auge auf mich und mein Verhalten zu haben und mich offen darauf anzusprechen. Mein Kopf hatte begriffen.

 

Doch mein Herz hinkte noch hinterher, denn wenn ich mich im Spiegel betrachtete, dann fand ich mich so dünn, wie ich war, immer noch schön, - und fand den Gedanken, wieder zuzunehmen, eher abschreckend.

Die nächste Zeit wurde nicht einfacher. Wir unternahmen einen gemeinsamen Familienurlaub, in welchem wir 12 Tage in Schweden mit einem Kanu von Insel zu Insel paddelten und zelteten. Das bedeutete für mich, praktisch ständig unter Beobachtung zu stehen und keinen echten Rückzugsort zu besitzen. Meine Eltern verhielten sich unheimlich sensibel mir gegenüber, sodass ich nicht das Gefühl hatte, mich für irgendetwas rechtfertigen zu müssen und das Essen auch eher selten Thema war, doch mir war natürlich trotzdem bewusst, dass sie registrierten, wie wenig ich aß, - trotz des Sportes, den wir die ganze Zeit machten. Auch emotional war es ein etwas schwieriger Urlaub: Ich stand die ganze Zeit unter Anspannung, musste ich doch bei überdurchschnittlich starkem Wind das Kanu lenken und ständig aufpassen, dass wir mit all unseren Vorräten nicht kenterten. An manchen Tagen konnten wir wegen der heftigen Böen überhaupt nicht fahren. Darüber hinaus war die Landschaft zwar sehr schön, die Temperatur für die Jahreszeit jedoch ungewöhnlich kalt, - und ich mit meinen etwa 44 kg dauerhaft am Frieren. Das Bild im Bikini ist zu dieser Zeit entstanden.

 

Nachts lag ich teilweise lange wach und schmiedete Pläne, wann ich am nächsten Tag was Essen würde, - und bekam im gleichen Moment Panik, in dem ich bemerkte, wie viel Raum dieses Thema bereits in meinen Gedanken einnahm. Einmal hatte ich plötzlich Angst, zu sterben, wenn ich so weitermachte und schälte mich noch einmal aus dem Schlafsack, um hektisch noch einige Käsewürfel in mich hineinzustopfen. Ich wollte ja leben.

 

Ich liebte das Leben so sehr. Doch genauso wichtig schien es mir zu dieser Zeit, die Kontrolle über darüber zu haben, - und dies schien nur über das Essen möglich zu sein.   

In all diesen Wochen war meine Beziehung zu Gott jedoch ziemlich intensiv. Oft, wenn ich Angst hatte, sprach er mir einen beruhigenden Vers zu, schenkte er mir eine ermutigende Liedzeile und klopfte sanft an die Tür meines Herzens. Ich betete viel, gestand ihm meine Ängste und lies mich im Sommer 2016 sogar taufen. Noch am Tauftag selbst wurde ich plötzlich von einer so kribbeligen, übersprudelnden Freude erfüllt, dass ich völlig überwältigt war. So etwas hatte ich noch nie gespürt und dass es mitten in meiner persönlichen Schwachheit in mein Herz platzte, machte es umso besonderer. Das prägendste Erlebnis dieses Tages war jedoch der Augenblick, in dem ich frisch getauft neben den anderen stand und plötzlich spürte, wie der heilige Geist mir etwas sagte. Okay, das klingt ziemlich seltsam und krass und irgendwie unglaublich, aber es stimmt: Noch nie hatte ich so deutlich gewusst, dass es Gott selbst war, der zu mir, Elena Kemmann, sprach.

„Ich kann dich davon heilen, wenn du willst.“, sagte die leise Stimme in meinen Gedanken.

Es wäre so leicht gewesen, Ja zu sagen. Es hätte so Vieles abgekürzt, so Vieles einfacher gemacht.

Doch an diesem Punkt war ich in diesem Moment noch nicht. ,Ich kann nicht.‘, antwortete ich also. Denn eine Heilung hätte ja bedeutet, dass ich wieder zunehmen würde. Und das wollte ich nicht.

 

Die Zeit verging. Der schulische Stress der elften Klasse häufte sich an, fiel mit den kürzer werdenden Tagen und Monaten zusammen und zog mich immer mehr in ein depressives Loch hinab. Meine Regel blieb aus, ich schlief selten mehr als sechs Stunden die Nacht und hatte mit hormonellen Schwankungen zu tun, die am einen Tag dazu führten, dass ich mich völlig normal fühlte und am zweiten verursachten, dass ich wegen der belanglosesten Kleinigkeit in Tränen ausbrach. Für einige Beziehungen und Freundschaften hatte ich kaum noch Kraft. Ich merkte, dass die Leute sich Sorgen um mich machten und ging ihnen folglich eher aus dem Weg, weil ich nicht die Energie besaß, das Thema offen anzusprechen und mich auch noch mit ihrer Angst um mich zu beschäftigen. Mein Vater sagte mir einmal bestürzt auf den Kopf zu, dass er sich ernsthafte Sorgen machte: "Du schwingst nicht mehr.", so formulierte er es und ich weiß noch, dass mich dieser Satz nur noch verzweifelter zurückließ, weil ich in diesem Moment im wahrsten Sinne des Wortes einfach nicht aus meiner Haut herauskam: Ja, es wäre vermutlich gesünder gewesen, emotionaler zu reagieren, doch wie? Ich wusste es nicht mehr, es schien nichts zu sein, zu dem ich mich aktiv entscheiden konnte. Und zu allem Überfluss machte ich dadurch Menschen um mich herum traurig, ohne etwas daran ändern zu können.

Irgendwie hatte ich wohl auch ein schlechtes Gewissen und das Gefühl, versagt zu haben: Mein Körper sprach eine lautere Sprache als Worte es je vermocht hatten und zeigte jedem, der genau hinsah, dass ich emotional schwach geworden war und vor Gott und Menschen versagt hatte. „Was, die soll Christin sein? Wo ist denn ihr Gott, wenn sie glaubt, es mit so etwas allen beweisen zu müssen?“ Wenn ich das jetzt aufschreibe, dann klingt das völlig absurd, doch während ich mitten darin steckte, glaubte ich es wirklich, - und haderte in jeder freien Minute mit mir selbst.

 

Jede emotionale Schwingung war mir zu viel. Interessanterweise war ich zu diesem Zeitpunkt bereits wieder dabei, völlig normale Portionen zu essen. Als mir eine Freundin auf den Kopf zusagte, wie viel Angst sie um mich hatte, wusste ich, dass ich nicht mehr dünn sein wollte. Ich wollte nichts lieber, als wieder zunehmen. Doch ich war ungünstigerweise mit einem sehr schnellen Stoffwechsel gesegnet und es war unmöglich, von heute auf morgen fünf Kilogramm zuzunehmen, - selbst, wenn ich mir das gewünscht hätte. Ich aß also so viel ich konnte und auch gerne und dennoch hatte mein Körper mit den Folgen zu kämpfen, in die ich mich durch mein Verhalten einige Monate zuvor manövriert hatte. Ich wollte wieder körperlich stark und leistungsfähig sein, vor allem aber wollte ich mich nicht mehr nur um mich selbst drehen. Ich hatte es im wahrsten Sinne des Wortes satt, dass diese Gedanken so viel Raum in mir einnahmen und so viel von der Zeit und Energie in Anspruch nahmen, die ich doch so gern für andere Menschen und für Gott eingesetzt hätte. Doch auch das bewies, dass ich noch in der alten Gedankenfalle steckte, etwas leisten zu wollen. Stattdessen durfte ich erleben, dass Gott mir Geduld, - vor allem mit mir selbst, - schenkte. Manchmal, wenn ich zu viel über das Thema nachdachte, schenkte er mir Frieden und Schlaf und wenn ich drohte, auf der anderen Seite vom Pferd zu fallen und wieder in alte Muster hineinzurutschen, erinnerte er mich sanft daran zurück, in dem er mir Menschen (Familie und Freunde genauso wie engagierte und aufmerksame Lehrer) in den Weg stellte, die mir auf sensible Art und Weise klarmachten, dass ich noch nicht völlig über den Berg war und weiterhin vorsichtig sein musste. Im Rückblick geschah es wirklich immer gerade noch rechtzeitig, bevor ich wieder Gefahr lief, erneut abzurutschen. Einmal war ich mit dem Fahrrad unterwegs und rang innerlich mit mir selbst, da ich genau wusste, dass ich das nur tat, um wieder etwas Energie loszuwerden. Aus einer Motivation heraus, also, die falsch war, weil ich den Sport eigentlich ja gar nicht brauchen wollte, um mich gut zu fühlen. Nur Gott sollte es sein, der meinem Leben Sinn und Ziel gab und der mich mit dem ausstattete, was ich brauchte, nicht die eigene Leistung. Obwohl ich all das wusste, schaffte ich es an diesem Tag dennoch nicht, mein Fahrrad umzudrehen. Und während ich noch um Kraft betete, die richtige Entscheidung zu treffen, sah ich plötzlich von weitem ein Absperrband im Wind flattern, das den Weg versperrte, den ich eigentlich hatte fahren wollen. Das Band könnte objektiv betrachtet aus allen möglichen Gründen dort gehangen haben, doch ich wusste in diesem Moment einfach mit hundertprozentiger Gewissheit, dass ich gemeint war. So deutlich war es mir, dass ich lachen musste.

„Okay, Gott.“, betete ich also. „Ich hab’s verstanden“

 

 

Und drehte um. 

 

Meine Eltern bewältigten in dieser Zeit das Meisterwerk, für mich da zu sein, ohne mir Druck zu machen. Meine Mutter fuhr mit mir zu verschiedenen Ärzten, - sogar zu einem Endokrinologen nach Magdeburg, - und mit meinem Vater saß ich abends, wenn ich nicht schlafen konnte, teilweise stundenlang gemeinsam auf dem Sofa, wo wir uns Lobpreislieder anhörten und gemeinsam beteten.

Da ich wieder normale Portionen aß, - sogar mehr als das, - und nach und nach wieder ein Gespür dafür bekam, was so eine normale Portion überhaupt war, begannen auch sie mit der Zeit, entspannter zu werden.

 

Dennoch nahm ich zwar vorerst nicht weiter ab, aber auch nicht weiter zu.

 

Eines schicksalhaften Tages war ich von zwei schlaflosen Nächten in Folge so erschöpft, dass ich kaum noch denken konnte. Ich war nie jemand gewesen, der aus irgendwelchen belanglosen Gründen zuhause blieb, doch in jenem Moment konnte ich einfach nicht mehr. Da ich ein Attest vom Arzt brauchte, fuhr ich also zu meinem damaligen Kinder- und Jugendarzt und fragte, ob ich eine Entschuldigung bekommen konnte. Ich weiß nicht genau, was für einen Eindruck ich gemacht habe, wie ich da völlig übermüdet und den Tränen nahe im Sprechzimmer saß, doch die behandelnde Ärztin reagierte auf die einzig richtige Art und Weise. Sie sah hin. Und forderte mich anschließend dazu auf, mich auf die Waage zu stellen. Als dort 42 Kilogramm zu lesen waren, schien ihr einiges klarer. Das nachfolgende Gespräch kann ich nicht mehr vollständig rekonstruieren. Ich weiß noch, dass ich geweint habe und sie mir empfahl, eine Woche lang ins Krankenhaus stationär zu einer Diagnostik zu gehen, um dort mit einigen Untersuchungen zu überprüfen, ob all meine Organe noch richtig funktionierten. Außerdem bat sie mich darum, später noch einmal mit meinen Eltern zu kommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

 

Und so kam es dann. Bevor der Krankenhausaufenthalt für mich begann, fuhren wir als Familie noch einmal an die polnische Ostsee in den Urlaub, wo ich ebenfalls ein paar Momente erlebte, die mich zwar sehr fordern und dennoch ein gutes Stück weiter voranbringen sollten. Ein solches Schlüsselerlebnis war der Besuch bei McDonalds gleich am Anfang der Reise auf der Autobahn. Ich hatte mir extra ein Brot geschmiert, das ich in der Pause hatte essen wollen und kam mit der Spontaneität des Fastfoodketten-Besuches einfach noch nicht klar. So saß ich also vor meinen Pommes und hatte Tränen in den Augen, weil ich mich nicht überwinden konnte, sie zu essen. Gleichzeitig machte es mir unheimlich zu schaffen, wie sehr das in den Augen meiner Eltern nach einem Rückschritt aussehen musste, obwohl es weniger an dem Fast Food an sich lag als vielmehr an der Tatsache, dass es meinen Plan durcheinanderwarf, - so seltsam das auch klingen mag. „Ich muss kurz raus.“, sagte ich also und rannte aus dem Restaurant. Draußen auf dem Parkplatz lief ich unruhig auf und ab, wohl wissend, dass in mir ein entscheidender Kampf tobte. Ich konnte mich geschlagen geben, hier draußen bleiben und mein blödes Brot essen. Ich konnte den Teufel gewinnen lassen und seinen zerstörerischen Lügen weiterhin Glauben schenken. Oder ich konnte wieder da rein gehen, meine Pläne loslassen, Junk Food zu mir nehmen und die Kontrolle abgeben. Ich zitterte, so sehr widerstrebte alles in mir, wieder dort hineinzugehen. Doch ich wusste, dass es notwendig war, dass es sich dabei um einen weiteren Schritt handelte, den ich nun eben zurückgehen musste. also betete ich um Kraft, atmete dann tief durch und machte mich entschlossen auf den Weg zurück. Am Tisch meiner Familie angekommen begann ich einfach zu essen und obwohl es von außen betrachtet eine so unscheinbare Handlung, ein so banaler Augenblick war, bei dem ich eigentlich der festen Ansicht gewesen war, schon längst darüber hinweg zu sein, war es dennoch ein großer Sieg. Der gesamte Urlaub - und auch die Woche danach, die ich mit einer befreundeten Familie in Paris verbrachte - wurde eine solche Aneinanderreihung von Siegen, bei denen es mir immer leichter viel, einfach unbeschwert in den Tag zu starten, - und zwar, ohne zu wissen, was und wieviel ich essen würde, - und es trotzdem genießen zu können. Ich konnte auftanken, bevor die Zeit im Krankenhaus begann.

 

Auf dem Bild sieht man mich nach einigen schlaflosen Nächten mit einem Langzeit-EKG im Kinderkrankenhaus. (Und mal ganz ehrlich: Wer hängt solche Bilder an die Wände? Da kann man ja nur einen psychischen Knacks von bekommen...)

 

Der nachfolgende Tagebucheintrag beschreibt nun meine Woche in der Kinderklinik im Rückblick:

 

So, nun bin ich also wieder zuhause.

Meine Krankenhauswoche würde ich abschließend folgendermaßen bezeichnen:

Als hilfreich und anstrengend zugleich.

 

Ich hatte viel Karten gespielt, gelesen, natürlich Hausaufgaben gemacht und mich über den vielen Besuch (Hanna, Gesa, Ann-Carolin, Peter, meine Familie) gefreut, der gekommen war. Die Nächte waren anstrengend – weil kurz – gewesen, doch alles in allem hatte ich mit meinem Zimmer wie schon erwähnt viel Glück gehabt. Die Schwestern und auch die Psychologin Frau Wehrmann, mit der ich am Donnerstag ein sehr entspanntes Gespräch führte, bezeichneten mich alle als ziemlich nettes, liebes Mädchen und es war ein gutes Gefühl, auch von außenstehenden, objektiven Personen zu hören, dass sie meinen starken Willen sahen und glaubten, dass ich zwar noch gefährdet sei, es aber trotzdem schaffen würde. Und ja, ich wollte es wirklich. Die Ergebnisse des EEGs und EKGs waren darüber hinaus völlig normal, auch sagten die Ärztinnen, dass ich zwar dünn sei, aber selbst das noch im „vergleichsweise etwas harmloseren“ Bereich wäre. Wir würden in Zukunft so verbleiben, dass ich alle vier Wochen zum Wiegen gehen würde; als Kontrolle und auch als Ansporn für mich selbst. Im Krankenhaus hatte ich gemerkt, dass es mir keine Probleme bereitete, die vorgegebenen Mengen an Essen zu essen, dass es sogar Mengen waren, die ich selbst von meinem Gefühl her auf meinem Teller portioniert hätte – ein gutes Zeichen, einfach, weil es verhaltensmäßig in die richtige Richtung ging. Zweitens hatte mir die Woche gezeigt, dass ich auf keinen Fall wollte, dass so etwas noch einmal nötig sein würde. Tja, und drittens bin ich der Meinung, dass es mich stärker gemacht hatte. „Manchmal muss man einfach auf die Nase fallen.“, so, wie es ein befreundeter ausgedrückt hatte. Ich nehme weiterhin zu und bin froh darüber.

Nur bin ich jetzt natürlich unheimlich glücklich, wieder zuhause sein zu dürfen. Der Mittwoch war wirklich knifflig, ich brach ständig in Tränen aus, ohne zu wissen, warum – und mir war das ganze furchtbar peinlich. Vielleicht lernte ich dadurch jedoch auch wieder ein Stückchen mehr, meine nun einmal menschliche Schwäche und Begrenztheit einfach anzunehmen und zu akzeptieren.

Auch hier führte ich ein cooles Gespräch mit Papa.

Und Gott... Gott war da.

 

Es fiel mir manchmal schwer, die Zeit von Montag bis Freitag zu akzeptieren, in die ich mich selbst manövriert hatte, die ich vor allem hätte verhindern können, wenn ich bei meiner Taufe einfach Gottes ausgestreckte Hand ergriffen hätte. Doch nun war es dazu nun einmal zu spät und ich musste auch lernen, mir selbst zu verzeihen und nun konstruktiv weiterzumachen.

Und die Zeit mit meiner Zimmernachbarin, die gerade ihre Diabetesdiagnose bekommen hatte, war eigentlich echt ein unerwartetes Geschenk. Wir hatten tolle, tiefgründige und sehr offene Gespräche.

 

 

Da sieht man es mal wieder: Gott kann selbst aus der größten Scheiße, die wir uns selbst eingebrockt haben, etwas Großes und Gutes machen.

In den nächsten Wochen ging es dann stetig bergauf. Ich aß gerne und viel, freute mich richtig auf die Mahlzeiten und legte die Zwanghaftigkeit davon immer mehr ab. Statt darüber nachzudenken, begann ich wieder, auf meinen Körper zu hören, dann zu essen, wenn ich Hunger hatte und immer öfter auch einfach etwas zu naschen, weil ich Lust darauf hatte. Sportmachen wurde mehr und mehr (siehe die folgenden Tagebucheinträge) wieder zu einem Hobby anstatt zu einer Beschäftigung, die dem bloßen Zweck diente, gesund zu leben oder Energie zu verbrauchen. Gott spielte in diesem Prozess eine aktive Rolle und ich bezog meine Kraft weiterhin aus ihm, war die meine doch völlig aufgebraucht. Jeden destruktiven Gedanken brachte ich ehrlich im Gebet vor ihn und durfte erleben, wie er wahrmachte, was er in Matthäus 11,28 verspricht: „Kommt zu mir, alle die ihr mühselig seid und euch unter eurer Last abmüht. Bei mir erholt ihr euch.“ Wie gut, dass er im Überfluss gab und mich mit noch viel mehr als dem ausstattete, was ich brauchte.

 

Heute hatte ich zwei Arzttermine, welche beide mit guten Nachrichten endeten (ich habe weiterhin zugenommen und stehe nun endlich am Ende meiner Kieferorthopädischen Behandlung). Davor war ich noch aufs Schloss gewandert, um zu beten, den Ausblick zu genießen und ja, ich gebe es zu, etwas Sport zu machen. Was das angeht, muss ich noch lockerer werden. Nachdem mir Gott letztens ein ziemlich deutliches Stopp-Signal gesendet hat (ein Absperrband auf dem Weg, als ich trotz vorheriger Zweifel doch Fahrradfahren wollte), muss ich irgendwie gucken, dass ich jetzt nicht sportsüchtig werde. Ich bete zu Gott, dass er mir mehr Gelassenheit schenkt, die nicht von sportlichen Leistungen abhängig ist. Allerdings ist es bis zu einem Maß denke ich auch okay, denn wenn ich Sport mache, benutze und genieße ich ja schließlich den Körper, den er mir geschenkt hat – und das fühlt sich toll an. Fürs Kalorienverbrennen mache ich es ja glücklicherweise auch nicht mehr. 

 

Auch die Website, die ich für unsere Gemeinde gestalte, geht voran und ich beschäftige mich viel mit Dingen, die man mit der Jugend-Gruppe unternehmen könnte. Es tut gut, etwas zu tun zu haben oder an der frischen Luft zu sein. Es verschafft mir das Gefühl von Ausgeglichenheit. Ich lerne auch, Dinge wie Haarausfall oder Ähnliches zu akzeptieren, Gott mit einzubeziehen und darüber hinaus zur Ruhe zu kommen und auch mal „Nein“ zu sagen.

In der Bibel steht, dass Gott die, die er liebt, streng erzieht und dass diese Schule des Lebens dazu dient, uns vorzubereiten. Ich habe beschlossen, darauf zu vertrauen.

Ich weiß, das war ein kurzer Eintrag, doch ich habe im Moment nicht so viel Lust, noch mehr zu schreiben – und irgendwie reicht das ja auch... ^^

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Generell habe ich in letzter Zeit mehr und mehr das Gefühl, dass ich seine Stimme deutlicher höre, vielleicht auch einfach, weil ich genauer hinhöre. Er gibt mir viele Gelegenheiten, anderen Gutes zu tun: Etwa, die Plätzchen, die wir in der Jugend gebacken haben mit Bibelversen an Leute zu verschenken, die es echt nötig haben (die Reinigungskraft in der Schule, die gestresste Postbotin, eine weinende Frau in der Kinderklinik), eine Flyer-verteil-aktion in der Stadt, ein ernstes Gespräch mit verzweifelten Freunden oder einfach eine Möglichkeit im Unterricht dazu zu nutzen, mich zu ihm zu bekennen. Ich merke nur – auch jetzt wieder - , dass ich anfange, stolz auf mich zu werden, dabei ist es allein sein Können, allein seine Stärke, die in mir wirkt, weil ich so schwach bin. Und ich bin wirklich schwach, auch wenn sich meine Gefühlswelt so langsam wieder einpendelt und meine Haare weniger stark ausfallen.

Ich kann auch wieder besser schlafen. Auch hier bin ich mal wieder erstaunt, was für kleinen Anliegen er sich doch annimmt – Anliegen, die im Vergleich zu anderen in dieser Welt beinahe bedeutungslos erscheinen. Während ich fleißig weiter zunehme, fällt es mir „nur“ noch schwer, auf das Laufen zu verzichten, ich fühle mich einfach ausgeglichener, wenn ich Sport mache und habe weniger Hemmungen, total über meinen Hunger zu essen. Aber auch in diese Dinge beziehe ich Gott mit ein und bin ihm gegenüber einfach ehrlich, was meine Schwächen angeht.

 

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Sehr dankbar bin ich auch dafür, dass ich jetzt auch ohne Sport wieder völlig normal – und sogar mehr als normal - essen kann. Das ist ein weiterer Fortschritt auf diesem langen Weg zur Besserung.

Ich habe für das neue Jahr vermutlich wieder viel zu viele Ideen, bete aber darum, auch die Kraft und Stärke von Gott zu bekommen, mich nicht zu sehr zu stressen und mir alles gut und entspannt einzuteilen. Ob mir das gelingt, werde ich ja dann sehen. Jedenfalls habe ich wirklich großes Glück. Und zwar in allen Dingen: In meinen Beziehungen, in meiner Gesundheit, in dem was ich kann und erlebe und natürlich auch, weil ich Gottes Kind sein darf und nichts mehr leisten muss.

 

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Juhuu! Ich habe mein Normalgewicht wieder!  – Und zwar ohne groß darüber nachzudenken.

 

Gott ist groß. 

Wie sieht es nun heute bei mir aus? Ich bin körperlich wieder vollkommen gesund: Das betrifft nicht nur mein Gewicht, sondern nach langer Zeit mit der Pille, - die mir aus medizinischen Gründen verschrieben worden war, - bekomme ich nun auch ohne sie wieder regelmäßig meine Periode und bin froh darüber, dass sich mein Körper hormonell wieder gefangen hat. Das hört sich ziemlich seltsam an, aber für etwas, das für viele Frauen normal und oft ja auch ein wenig lästig ist, bin ich einfach jedes Mal aufs Neue unheimlich dankbar.

 

Im Nachhinein weiß ich nicht mehr so genau, wie Gott es geschafft hat, mich da auch auf psychischer Ebene rauszuholen. Von den Ärzten wurde mir diagnostiziert, dass ich gerade an einem Punkt umgekehrt war, an dem es noch möglich war, wieder eine normale Bindung zum Essen aufzubauen. Menschen, die wirklich an einer Anorexie oder Bulimie erkrankt sind, leben ihr Leben lang abstinent: Sie wissen, dass sie nie wieder anfangen dürfen, in irgendeiner Form zu hungern. Kompliziert wird es hier natürlich, weil es sich bei einer Essstörung zwar nicht direkt um eine substanzbezogene Suchtmittelerkrankung ist, bis zu einem gewissen Grad aber irgendwie schon: Und Essen kann man schließlich nicht einfach weglassen. Ich kann jedoch von mir sagen, dass ich wieder eine normale Beziehung zum Essen habe. Ich esse viel und gerne und wenn ich Hunger habe und bin gleichzeitig dankbar dafür, weil ich eben weiß, dass so etwas nicht selbstverständlich ist: Weder die Tatsache, überhaupt Essen zu haben, noch, dieses auch genießen zu können.

Gleichzeitig wird es wohl ein paar der Narben geben, die bleiben. Ich bin ich mir der Gefahr, in zukünftigen Stresssituationen möglicherweise ähnlich zu reagieren, bewusst, - wüsste mittlerweile jedoch auch, bei welchen Signalen ich aufmerksam werden und mir gegebenenfalls rechtzeitig Hilfe suchen müsste. Sport ist weiterhin ein Ventil, bei dem ich vorsichtig sein muss, dass er nicht mehr Raum in meinem Herzen einnimmt, als das für mich und vor allem meine Beziehung zu Gott gut ist. Doch ich durfte auch lernen, dass Sportmachen an sich nichts Schlechtes ist: Alles steht und fällt mit der Motivation dahinter. Momentan kann ich sagen, dass es mir einfach unheimlich Spaß macht, mich zu bewegen und dass es mir auf einer gesunden Ebene hilft, mich während des Lernens besser zu konzentrieren. Ich weiß, dass es mir fehlen würde, das ja, - aber bis zu einem gewissen Grad ist das vermutlich auch normal. Außerdem habe ich mir angewöhnt, Gott mit in den Sport hineinzunehmen: Ich höre Predigt-Podcasts beim Joggen, bete beim Schwimmen und setze dieses Hobby seit kurzer Zeit gemeinsam mit einer Freundin sogar dazu ein, anderen Menschen in Form von gesammelten Spendengeldern zu helfen. (https://elleinperu.jimdofree.com/2020/11/21/der-spendentriathlon/)   

 

Darüber hinaus hat mir die Zeit in Peru unheimlich gutgetan. Ich weiß noch, wie ich in meinem Bewerbungsgespräch ehrlicherweise zugegeben hatte, dass ich in meiner Vergangenheit einmal ein solches Problem gehabt hatte, - und wie erleichtert ich gewesen war, als ich trotzdem fliegen durfte. Schon vor dem Freiwilligendienst hatte ich nur noch selten eine Waage benutzt, aber auch während der Zeit dort besaß ich erst gar keine – und verschwendete auch überhaupt keinen Gedanken mehr daran, wie viel ich denn nun Essen musste und warum, - ich tat es einfach. Und ganz ehrlich: Die peruanische Küche hat so viel zu bieten, dass jeder unnötige Verzicht einfach eine ganze Geschmacksgalerie voller verpasster Möglichkeiten gewesen wäre. Falls ihr einmal hinreisen solltet, dann probiert bitte, wann immer sich euch die Gelegenheit dazu bietet! (Nun ja, bis auf die parasitenverseuchten Gerichte auf dem Dorfmarkt, womöglich… Aber auch da lernt man, zu unterscheiden.)

Erst, als ich nach Deutschland kam, sah ich mich seit langer Zeit mal wieder in einem Ganzkörperspiegel (auch so ein Spiegel hatte mir nicht wirklich gefehlt) und bemerkte erfreut, dass ich zugenommen hatte, - und mir so viel besser gefiel. Wenn ich aus der Zeit eines lernen durfte, dann ist es jedoch auch, dass Aussehen eben auf keinen Fall Alles ist, im Gegenteil. Schönheit ist so vergänglich… und so irrelevant, wenn sie nicht auch von innen kommt. „Irgendwann sind wir ohnehin alle alt und dick.“ war ein Gedanke, der mir damals oft kam. Warum also, - anstatt sich unnötig zu stressen, - einfach lernen, sich selbst anzunehmen und Gott für das zu danken, was er uns geschenkt hat, anstatt uns ständig noch weiter optimieren zu wollen? Als mir während der für mich so schwierigen Zeit klar wurde, wie sehr ich dem Körper, den er mir bewusst gegeben hatte, geschadet hatte, schaffte ich es eine Zeit lang vor lauter Schuldbewusstsein kaum, Gottes Vergebung anzunehmen. Ich hatte auch noch lange Zeit mit Selbstzweifeln zu tun, fand mich zu dünn, zu schwach und traute mir körperlich kaum etwas zu. Irgendwie hatte sich der Gedanke in mir festgesetzt, dass ich mir bestimmt so sehr geschadet hatte, dass ich nie mehr heil werden würde. Dafür war Peru eine weitere Konfrontationstherapie: Bei Extremwanderungen, Kletterpartien und weiteren verrückten Aktionen ging ich sowohl körperlich als auch seelisch mehrere Male an meine Grenzen, - und darüber hinaus. Denn ich erkannte erstaunt, dass diese überhaupt nicht dort lagen, wo ich sie erwartet hätte. Und dass Gott da schließlich auch noch ein Wörtchen mitzureden hatte. 

Es wäre gelogen, zu behaupten, dass manche dieser Zweifel mittlerweile überhaupt nicht mehr auftauchen. Gerade, wenn ich in mein altes Umfeld zurückkehre und Zeit in den Räumen verbringe, in denen ich so vieles gedacht, gefühlt und gebetet habe, scheint mein Herz wieder anfälliger zu sein. Doch dann besinne ich mich oft auf einen Bibelvers, der mir sehr wichtig ist: „Denn Gott hat euch nicht einen Geist der Angst gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle Ängste und alle destruktiven Zweifel nicht von Gott kommen und er mir im Gegensatz dazu Kraft und Selbstbeherrschung schenken will und mich darüber hinaus auch noch mit der Fähigkeit ausstattet, von mir wegzusehen und stattdessen anderen in Liebe zu begegnen. „Nur ein krankes Auge“, - so hat es mir gegenüber einmal jemand formuliert, - „sieht sich selbst.“ Und er hat Recht. Vielleicht hat es mir deshalb auch so gut getan, in Peru meine Zeit für andere zu investieren. 

 

Mein Fazit ist also Folgendes: Ich bin Gott im Nachhinein unheimlich dankbar dafür, was er aus dieser so schwierigen Zeit gemacht hat. Sie ermöglicht mir nun nicht nur, - wie zu Anfang bereits erwähnt, - eine viel größere Tiefe in Gesprächen, sondern schenkt mir auch Mitgefühl und Verständnis für Menschen in ähnlichen Situationen und hilft mir sogar, ziemlich sensibel zu erspüren, wo jemand vielleicht Hilfe braucht. Dieses Thema betrifft so viel mehr Menschen und vor allem junge Frauen, als man es vielleicht vermutet! Schon des Öfteren durfte ich mit meinem Zeugnis gleichzeitig Warnung und Ermutigung sein und gerade während der Zeit, in der ich in einem christlichen Suchtkrankenhaus gearbeitet habe, konnte ich mich auf einer völlig anderen Ebene mit den Patienten unterhalten, als es sonst möglich gewesen wäre. Des Weiteren wäre ich Gott höchstwahrscheinlich nie so intensiv begegnet, wenn ich ihn damals nicht so verzweifelt gesucht hätte. Ich wusste: Wenn es ihn jetzt nicht gibt, dann ist alles verloren. Und deshalb streckte ich mich so sehr danach aus, ihn besser kennenzulernen, ich flehte um Hilfe, wusste ich doch, dass er der Einzige war, der mich wirklich aus diesem Chaos herausholen konnte. Der Moment meiner schwersten Krise war gleichzeitig der Moment, in der er das größte Wunder tat und den Sturm stillte. Wenn ich bis dahin noch nicht hundertprozentig davon überzeugt gewesen war, dass es ihn gab, dann war ich es spätestens ab dem Moment, in dem er während meiner Taufe zu mir sprach.

 

Und zu guter Letzt versetzt mich meine eigene Geschichte nun in die Lage, Menschen mit anderen Augen zu sehen. Ich wurde oft in Schubladen gesteckt: Beim Kinderarzt fragte man mich mürrisch, ob ich mir die Haare nicht selbst herausreißen würde (Bitte was? Nur, weil in meiner Akte „Essstörung“ stand, hieß das noch lange nicht, dass ich Lügen erfand, wenn ich mit einem echten Anliegen zum Arzt ging!) und im Krankenhaus bekam ich auf die ehrliche Aussage, dass ich keine Kalorien zählen würde, lediglich ein „Jaja, das sagen sie ja sowieso alle“ zu hören. Solche Momente verletzten mich sehr und ich möchte diesen Artikel auch dazu nutzen, euch darauf aufmerksam zu machen, dass auch solche Menschen letztendlich einfach nur auf der Suche nach etwas sind, das ihre innere Leere füllen kann. Sie können für diese Krankheit nichts: Das gilt für Essgestörte genauso wie für Alkoholiker und Drogenabhängige. Wir alle haben diese Sehnsucht nach mehr in unserem Herzen, die wir mit irgendetwas zu stillen versuchen: Sei es Erfolg, Beziehungen, Geld, Konsum Gesundheit oder gesellschaftlichem Ansehen. Bei Suchtkranken ist genau das ebenfalls passiert, lediglich mit dem feinen Unterschied, dass man es ihnen einfach schneller ansieht. Doch gleichzeitig haben die meisten von ihnen bereits einen entscheidenden Vorteil: Sie haben erkannt, dass das, wonach sie sich sehnen, sie hinterher leer lässt, während viele von uns weiterhin von einer undefinierbaren Sehnsucht getrieben von einem Ort zum nächsten Stolpern. Sie wissen mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie Freiheit brauchen, während wir am Handy und in den sozialen Netzwerken Stunden unserer Zeit opfern, ohne den Grund dafür zu hinterfragen. Auch wir sind unfrei, doch sie haben sich schon entschieden, gegen diese Abhängigkeit anzukämpfen und das zu suchen, was sie wirklich glücklich macht.

 

In der Bibel steht, dass Gott uns „die Ewigkeit ins Herz gelegt“ hat. Das ist meiner Meinung nach der springende Punkt: Wir haben ein fehlendes Puzzleteil in unserem Herzen, das nur unser Schöpfer wieder füllen kann. Doch solange wir unser Glück nicht bei ihm, sondern nur in der vergänglichen Schöpfung suchen, werden wir immer nur enttäuscht werden. Es ist wie der Versuch, ein Glas mit Wasser zu füllen, das ein Loch hat. Doch Gott kann dieses Loch kitten. Wenn wir ihn in unser Leben lassen, werden wir endlich vollständig. „My life will always have a hole, if you’re not the centerpiece.“ Diesen Satz habe ich bereits einmal von NF zitiert und hier passt er abermals wie die Faust aufs Auge, - oder das Puzzleteil ins Puzzle. (Okay, der war flach. Sorry.)

 

 

Aber Spaß beiseite: In der Suchtklinik habe ich erleben dürfen, wie viele Patienten freigeworden sind. Und zwar wirklich frei. Das hat mich tief berührt und ich möchte euch gerne ermutigen, das ebenfalls zu versuchen. Ich habe erleben dürfen, dass Gott heilt und versklavende Gedankenfesseln aufsprengt. In meinem Fall hat er mir ziemlich deutlich gezeigt, was die Wurzel meiner Erkrankung, - und nicht das Symptom war. Es tat zugegebenermaßen weh, zu graben und es war ein schmerzhafter Prozess, viel von dem Dreck, in dem ich mich ja eine Zeit lang so wohl fühlte, beiseite zu räumen. Doch es lohnte sich, - und lohnt sich immer noch. Denn obwohl ich nun frei bin und in diesem Wissen als geliebtes Kind Gottes leben darf, neige auch ich des Öfteren dazu, das wieder zu vergessen und mich abermals auf meine eigenen Anstrengungen zu verlassen. Diese Schwäche ist für Gott glücklicherweise kein Grund, mich fallen zu lassen, im Gegenteil. Gerade in den Momenten der Schwachheit ist er es, der behutsam an meine Tür klopft und mich daran erinnert, dass es völlig in Ordnung ist, einfach mal ein „human being“ und kein „human doing“ zu sein. 

Seinem Plan zu vertrauen, hat sich für mich als das Beste herausgestellt, was ich je getan habe. In Johannes 10 Vers 10 sagt Jesus, dass er gekommen ist, damit wir Leben haben, und zwar Leben in Fülle. Gerade heute, während ich das hier schreibe, habe ich außerdem Vers 14 aus Psalm 56 entdeckt: Du hast mein Leben vom Tod gerettet und meine füße vor dem Sturz, damit ich wandle vor dem Gott im Licht des Lebens. 

Was für eine Zusge! Und wenn man aus der Bibel eines lernen kann, dann ist es das, dass Gott noch nie in der gesamten Geschichte mit uns Menschen sein Versprechen gebrochen hat. Es waren immer wir, die davonliefen und er, der uns nachher als der liebevolle Vater überglücklich in die Arme schloss, wenn wir uns dazu entschlossen, umzukehren.

So war es jedenfalls bei mir.

 

Und wenn ihr euch in diesem Bericht an einigen Punkten selbst wiedergefunden habt, dann kann ich euch nur ermutigen, es auszuprobieren: Genauer hinzusehen und das zu entlarven, was gerade euer Puzzleteil zu ersetzen versucht und Gott mit ganz einfachen Worten darum zu bitten, euch stattdessen das zu geben, was euch wirklich zufrieden machen wird: Sich selbst und seine unendliche Liebe, die das Potenzial hat, euer gesamtes Wesen auf positive Weise zu verändern und das aus dem Weg zu räumen, was euch unfrei macht. Die gute Nachricht ist, dass er das bereits auf sich genommen hat. Wenn ihr Fragen dazu habt, wie so etwas praktisch aussehen kann, dann wendet euch gerne an mich: Ich versuche sie, so gut es geht, zu beantworten.

 

Und selbst, wenn euch das alles eher fremd und seltsam vorkommt, dann hoffe ich, dass ihr aus diesem Beitrag trotzdem etwas mitnehmen konntet. Ich kann lediglich erzählen, wie es bei mir gewesen ist und glaubt mir: Ich war nicht in der Verfassung, mir Gottes Wirken auszudenken, weil ich es irgendwie brauchte. Das wäre auf den ersten Blick zugegebenermaßen eine relativ logische Erklärung für das, was ich hier beschrieben habe.

Doch eigentlich war es eher andersherum: Er bat mich lange Zeit, damit aufzuhören, mir selbst zu schaden und zu ihm zurückzukommen, während ich es war, die nicht zuhören wollte. Viel leichter und bequemer wäre es gewesen, mir einzureden, dass es Gott nicht gibt.

Möglicherweise würde ich heute dann allerdings nicht mehr leben. Wie gut, dass Krankheit und Schwachheit noch nie etwas war, das Gott vom Handeln abgehalten hat. „Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.“, sagte Jesus einmal. Vielleicht ist dies auch der Grund dafür, warum Glaube und vor allem der Glaube an Gott in unserer westlichen Gesellschaft, - und nur da!, - so stark abgenommen hat und in Verruf geraten ist. Wir wollen zu den Gesunden gehören, die keinen Arzt brauchen. Womöglich denken wir die meiste Zeit auch, wir bräuchten ihn tatsächlich nicht.

 

Ich weiß nicht, wie es bei euch aussieht, aber für mich war es heilsam aufzuwachen und zu bemerken, dass ich ihn doch brauche. Dass ich es aus eigener Kraft nicht schaffe, - und nicht schaffen muss. Dass er das fehlende Puzzleteil ist, nach dem ich überall sonst gesucht habe, - außer bei dem, der mich geschaffen hat und deshalb am besten kennt. Eigentlich komisch, oder? Dieser Gedanke war so naheliegend, dass ich einfach nicht darauf gekommen bin…

 

Alles, was mir nun noch zu sagen bleibt, ist Danke! Danke an alle, die bis zum Schluss dieses Artikels durchgehalten haben. Danke für euer Interesse und eure Fragen. Ganz besonders will ich mich an dieser Stelle allerdings bei all denen unter euch bedanken, die mich in dieser schweren Zeit kannten und nicht fallen gelassen haben. Danke für eure Geduld, eure Ehrlichkeit und eure Ermutigungen! Danke für die vielen Gebete und die Zeit, die ihr für und in mich investiert habt. Danke, dass ihr hingesehen und nicht weggeschaut habt. Macht weiter damit! Es gibt so viele Menschen da draußen, die genau dieses Verhalten dringend brauchen.

 

Abschließen möchte ich mit meinem Taufvers, der all das in Worte fasst, das ich selbst nicht ausdrücken kann:

 

„Ich weiß jedoch, was ich für Pläne mit euch habe, spricht der Herr. Pläne des Friedens und nicht des Leides, auf dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“

 

(Jeremiah 29,11)