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Unkonventionell, Überraschend, Überwältigend: Wenn plötzlich Jesus mit am Frühstückstisch sitzt...

Es ist ein ganz gewöhnlicher Donnerstagmorgen. Draußen schweben ein paar Schneeflocken durch den Morgenhimmel, es verspricht ein grauer Tag zu werden, aber kein düsterer. Eher ein gelassen entspannter, der sich nicht um die Erwartungen anderer kümmert und stattdessen zu sich selbst steht: Wenn lieber grau, dann eben grau, scheint er zu sagen. Später vielleicht mit Aussicht auf etwas Sonnenschein.

Während draußen und in meiner Wohnung noch alles friedlich scheint, beginnen sich in meinem Inneren bereits die Gedankengebäude aufzutürmen. Heute werde ich gemeinsam mit einer Band in einem relativ gut besuchten Abendgottesdienst live spielen, - ohne die Lieder in der Besetzung jemals geprobt zu haben. Und dann gleich als Lobpreisleiterin. Hinzu kommen mehrere Seminare, ein Haufen an Aufgaben, der eigentlich noch abgearbeitet werden muss, das übliche Bisschen Haushalt und dutzende Menschen, die auf den sozialen Netzwerken auf meine Antwort warten. Während ich mein Frühstück vorbereite (Haferflocken, Obst, Chia- und Leinsamen, Nüüüüüsseee) beginne ich im Kopf bereits die Termine hin und herzuschieben: Wo kann ich da nun noch ein wenig Bewegung und Sport unterbringen, um nachher aktiviert in den Abend zu starten? Fahrradfahren? Das Wetter scheint günstig. Der Tagesablauf eher weniger.

 

Ich stelle den Wasserkocher an, um mir Tee zu kochen und verliere mich kurz in den Erinnerungen an den Predigt-Podcast, den ich mir den Tag zuvor angehört habe: Frühstück mit Jesus, hieß er und es ging darum, dass Jesus seinem Schüler Petrus nach dessen Verrat und Jesus Tod zum ersten Mal wieder an einem Kohlefeuer mit den Worten „Lass uns frühstücken“ begegnet. Warum das Kohlefeuer entscheidend ist? Nun, dieses Wort findet sich lediglich dreimal in der Bibel, - und es war ein Kohlenfeuer, an dem Petrus Jesus verleugnete. Was muss in diesem Moment alles durch seinen Kopf gegangen sein: Schuldgefühle, Verzweiflung, Sehnsucht, - und natürlich unendliche Verwirrung, weil sein Lehrer nicht tot sondern quicklebendig war. Und ihn – völlig unkonventionell – einfach zum Frühstücken einlud.

Okay, denke ich also mit einem Blick auf die Uhr. Mein erstes Seminar beginnt bald und ich muss noch eine Vorlesung durcharbeiten, die Zeit scheint mir bereits jetzt durch die Finger zu rinnen. Aber ich möchte gleichzeitig auch ganz bewusst mit Gott in den Tag starten: Von Anfang an, anstatt ihn nachher nur irgendwo dazwischen zu schieben.

 

Das Wasser ist mittlerweile heiß genug, meine Müslischale steht vor mir. Kurz schließe ich die Augen, um Gott für diesen Morgen und das Frühstück zu danken, dann schlage ich das Heft auf, indem für jeden Tag die jeweiligen Losungen stehen und in dem es außerdem genug Platz für Notizen gibt. „Lasst uns mit Danken vor sein Angesicht kommen und mit Psalmen ihm Jauchzen! Denn der Herr ist ein großer Gott.“ Na, das passt ja. Ein kleiner Gewissensstich bleibt jedoch auch: Da will ich meinen Tag so voll packen, - selbst in der kleinsten Pause vielleicht noch ein Work-Out unterbringen, - und soll mich dann authentisch heute Abend vor diese Menschen stellen und Gott als das Wichtigste in meinem Leben loben und preisen? Hmm.

 

Fast bleibt es bei diesem schlechten Gewissen und unguten Gefühl, als mein Blick plötzlich zur gegenüberliegenden Seite des kleinen Küchentisches unserer gefühlt noch kleineren Küche fällt und ich mit einem Mal weiß, dass ich nicht allein bin. Es klingt verrückt und genauso fühlt es sich an, doch ich habe in diesem Augenblick das Gefühl, dass Jesus mit mir am Tisch sitzt. Und mich vollkommen geduldig und liebevoll ansieht. Und dann dieser Gedanke in meinem Kopf.

 

Jetzt komm erst einmal an. Komm zur Ruhe. Schön, dass du da bist.

 

Öhm. *Tief Durchatmen* Okay?

 

Warum willst du heute auch noch Sport machen, bei allem, was ansteht?

 

Ich… Ich fühle mich einfach gut danach. [Ich trinke einen Schluck Tee.]

 

Aber das brauchst du doch gar nicht. Dafür bin ich doch da. Das will ich dir schenken.

 

Aber [- bei diesem Gedanken winde ich mich innerlich -] dann passt mein Plan nicht mehr, den ich mir überlegt habe…

 

Genau. Dein Plan.

 

[ Kurze Pause. Dann: ]

 

Lass doch heute mal Alles sein.

 

Alles?

 

Alles.

 

[Ich kann es nicht erklären, aber ich weiß genau, dass er schmunzelt. Geduldig und verständnisvoll schmunzelt. Mensch, klingt das seltsam. Aber ich weiß, dass er Recht hat. Wenn er es wirklich ist…]

 

Herr, bist das wirklich du?

 

Ich bin der, der ich bin.

 

[Oha. Und das an meinem kleinen Frühstückstisch?]

 

 Was, wenn ich mir das nur einbilde?

 

[Bis hierhin finde ich das Ganze zwar irgendwie seltsam, gehe aber irgendwie immer noch davon aus, dass ich vielleicht einfach zu wenig geschlafen habe. Dass ich fantasiere oder mir einfach Sachen überlege, von denen ich eben weiß, dass Jesus sie vermutlich so in etwa sagen würde, wenn er hier wäre. Und irgendwie ist er es ja auch, schließlich ist Gott allgegenwärtig. Aber so konkret neben mir am Tisch? Das kommt mir dann doch etwas unglaubwürdig vor. All diese Zweifel werden jedoch mit dem Bibelvers, der sich als nächstes in meine Gedanken stiehlt, schlagartig beiseite geräumt.]

 

Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir.

 

Okay. Wow. Gänsehaut.

 

Da weiß ich plötzlich, dass es real ist. Dass es wirklich Jesus ist, der mich da so liebevoll ansieht, wie ich mein Müsli esse und ab und zu verwirrt und schlichtweg überwältigt an meinem Tee nippe. Erklären und in Worte fassen kann man das nicht, aber es gibt so Momente im Leben, da weiß man einfach, dass man ganz persönlich gemeint ist.

„Selbst, wenn ich mich verhört habe, möchte ich dir diesen Tag schenken, an dem sich nichts zwischen uns drängen soll!“ schreibe ich in das Notizbuch und dann lehne ich mich einfach zurück und lasse mir mein Müsli schmecken.

Nachdem ich fertig gegessen habe, greife ich noch nach meiner Bibel und beschließe, Gott einfach darum zu bitten, das Ganze noch einmal zu bestätigen.

 

„Was soll ich lesen, Herr?“ 

Lukas 10, kommt als Antwort.

Okay…

Ich schlage das Buch also auf und meine Augen fallen auf die Stelle, in der Jesus bei Martha und Maria zu Gast ist und… kaum zu glauben: Auch Maria sitzt beim Essen mit ihm zusammen und hört ihm einfach nur aufmerksam zu, während Martha die ganze Zeit beschäftigt hin- und herwirbelt, weil sie das Gefühl hat, etwas für ihn leisten zu müssen.

„Martha, du bist beunruhigt und machst dir Sorgen um so viele Dinge!“, lese ich. „Notwendig ist aber nur eins. Maria hat das Bessere gewählt und das soll ihr nicht genommen werden.“ Wow. Abermals Gänsehaut am ganzen Körper, weil ich genau weiß, was Gott mir sagen will. Und das Schönste ist: Wenn ich mich für seine Gegenwart entscheide, ist das etwas, das mir nie genommen werden kann.

Seine Gegenwart und die Erinnerung an das gemeinsame Frühstück tragen mich durch den weiteren Tag, - der zwar durchaus anstrengend wird, während dessen ich mir jedoch die ganze Zeit über völlig im Klaren darüber bin, dass ich nicht allein bin. Und als nach einem Gebet sogar meine Bauchschmerzen verschwinden, fließe ich so über vor Dankbarkeit, dass ich für Gott durch meine gesamte Wohnung tanzen könnte. Was ich vielleicht auch tue.

 

 

Vielleicht. :)